Haltern/Olfen aktuell (13.02.2015)

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Siano
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Haltern/Olfen aktuell (13.02.2015)

von Siano am 13.02.2015 15:41

Schlagzeile aus den Ruhrnachrichten:

Nach Sensationsfund fehlt das Geld für Grabungen

Ein Römerlager in Olfen – als sich dieser Verdacht 2011 endgültig
bestätigte, war die Fachwelt wie elektrisiert. Archäologen sprachen
von einem Sensationsfund, der die Forschung noch Jahrzehnte
beschäftigen würde. Die Realität sieht allerdings anders aus:
Die Arbeiten in Olfen ruhen, historische Funde drohen verloren
zu gehen.


Olfen_von_oben2.jpg

Foto: Oskar Neubauer
Luftaufnahmen von Probegrabungen im August

Nach dem rund 2000 Jahre alten Lager hatten Archäologen mehr
als 100 Jahre gesucht. Schon Ende des 19. Jahrhunderts war in
der Lippe in Olfen ein römischer Bronzehelm gefunden worden.
Seitdem forschten die Archäologen zunächst vergebens nach
weiteren Hinweisen für ein Römerlager auf Olfener Stadtgebiet.


OLfen_Ausgrabung_von_oben.jpg

Foto: Oskar Neubauer

Erst vor rund fünf Jahren kommt Bewegung in die Sache:
Ehrenamtliche Mitarbeiter des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe
(LWL), der in der Region für alle Belange der archäologischen
Denkmalpflege verantwortlich ist, finden Kupfermünzen auf einem
Acker in der Olfener Bauerschaft Sülsen. Was als vager Verdacht
beginnt, wird schließlich zur Gewissheit: Es handelt sich tatsächlich
um ein römisches Militärlager. Die Archäologen können den
Spitzgraben, der die Anlage umgab, ebenso nachweisen wie die
Fundamentspuren einer Holz-Erde-Mauer.

Jungfräuliches Denkmal

Als der LWL 2011 mit dem Fund an die Öffentlichkeit geht, spricht
der damalige Direktor Wolfgang Kirsch von einem „Sensationsfund
für die Römerforschung in Westfalen". Die Erforschung des Lagers
werde wahrscheinlich einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen, hieß
es damals. „Wir wollen dieses jungfräuliche Denkmal mit aller
Sanftmut betrachten", sagt auch LWL-Chefarchäologe Michael Rind.

Von diesem Elan ist heute nicht mehr viel geblieben: Seit den ersten
Grabungen in 2011 ruhen die Arbeiten am Römerlager. Die einstmals
ausgehobene Grube – der „Probeschnitt" – ist zugeschüttet und der
Acker längst wieder für die Landwirtschaft freigegeben: Es wird gesät
und geerntet, mit Traktoren, Häckslern und Düngemitteln.

Dr. Bettina Tremmel ist wissenschaftliche Referentin beim LWL und für
die Römerlager in der Region zuständig. Sie bestätigt die schwierige
Situation in Olfen. „Keramik kann durch die landwirtschaftlichen
Maschinen zerstört, Metallgegenstände durch die Düngemittel
angegriffen werden", sagt die Wissenschaftlerin.

Dr_Tremmel.jpg

Frau Dr. Tremmel, eine Archäologin mit Herz und Sachverstand
Foto: Holger Steffe

Die Überreste des römischen Lagers leiden in der Erde –
und trotzdem herrscht Stillstand in Olfen. „Für das Projekt
sind momentan einfach keine Kapazitäten da", begründet
Tremmel die Forschungspause. Wolle man die fünf Hektar
große Fläche untersuchen, würde das mindestens einen
sechsstelligen Betrag kosten. „Das ist finanziell nicht machbar –
und personell auch nicht."

Tremmels Referat ist klein: Nur ein Grabungsleiter arbeitet
noch mit ihr zusammen, seit zwei Jahren sind die beiden
komplett in Haltern am See beim neuen Römerpark Aliso
eingespannt. Früher hätte es vielleicht einmal mehr Spielraum
gegeben, sagt Tremmel – vor 15 Jahren sei man im Referat
noch zu sechst gewesen.

Doch die Zeiten sind vorbei: Archäologische Projekte zu
finanzieren, wird für den LWL immer schwieriger. Die Zuschüsse
des Landes sinken seit Jahren. Anfang der 90er-Jahre zahlte die
Landesregierung noch etwa fünf Millionen Euro für die Archäologie
in NRW. 2012 waren es nur noch knapp drei Millionen Euro, 2014
noch einmal ein Drittel weniger. Im Oktober dieses Jahres fielen
versprochene Gelder durch die NRW-Haushaltssperre dann sogar
ganz weg. „Das ist dramatisch für Projekte wie das Römerlager",
sagt Dr. Frank Siegmund, stellvertretender Vorsitzender der
Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte, die sich für
die Archäologie in Deutschland einsetzt.

Olfen_von_weit_oben.jpg

Luftbildaufnahme des Areals

Auf diesem Gelände in Olfen an der Lippe haben die Wissenschaftler
des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) zwingende Hinweise
auf ein römisches Militärlager gefunden. Das Foto hat der
Luftbildarchäologe Bao Song von der Ruhr-Universität Bochum
aufgenommen. LWL-Pressesprecher Frank Tafertshofer hat es
unserer Zeitung zur Verfügung gestellt. (Foto: privat)


Zwar würden der LWL beziehungsweise die in der Region liegenden

Kreise und Städte etwa 90 Prozent des Gesamtbudgets für Archäologie
selbst stellen, besondere Vorhaben wie die Erforschung des Römerlagers
in Olfen jedoch lebten genau von den zehn Prozent, die bisher vom
Land kamen.

„Die Archäologie in NRW ist weit unterfinanziert", lautet Siegmunds
Fazit. Das würde sich auch bei der Zahl der hier beschäftigten
Archäologen bemerkbar machen: Siegmund errechnete für NRW
knapp 4,9 Archäologen pro 100 000 Erwerbstätige – ein Wert, der
deutlich unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt von etwa 6,7
Archäologen liegt und um den Faktor drei unter dem europäischen
Durchschnitt.

OlfenFlur.jpg

In Sülsen hat es die spektakulären Funde gegeben.
Foto: Oskar Neubauer

Nullrunde abgewendet

Für 2015 hatte die Landesregierung sogar eine Nullrunde für das
Denkmalförderprogramm des LWL angekündigt. Öffentlicher Protest
regte sich. Dem sei es laut Siegmund zu verdanken, dass es nun doch
danach aussieht, als würden nächstes Jahr wieder etwas mehr
Landesmittel für Archäologie an den LWL fließen. „Aber schwarz auf
weiß haben wir die Zusage noch nicht." Und selbst dann sei mehr als
fraglich, ob das Olfener Römerlager davon profitiere.

Auch LWL-Archäologin Dr. Bettina Tremmel hält sich mit allzu großen
Hoffnungen zurück. Sie wünscht sich zwar, dass die Arbeiten in Olfen
vielleicht doch irgendwann noch möglich werden. Konkrete Planungen
gebe es dazu derzeit jedoch nicht.

Quelle: RuhrNachrichten.de


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